Verinnerlichte Queerfeindlichkeit

In dem – nicht ganz kleinen – Unternehmen, bei dem ich meine Brötchen verdiene, gibt es eine sog. Coffee Connection, über die Kolleg:innen in zufälligen Paarungen zusammengewürfelt werden, um sich kennenzulernen1. Bei den vielen Standorten allein in Deutschland und sehr unterschiedlichen Fachbereichen ist das immer wieder ganz interessant – und sowohl fachlich-technisch als auch menschlich meist ein Blick über den eigenen Tellerrand.

Dieser Tage verbrachte ich angeregte 20 Minuten mit einer Kollegin aus dem Süden Deutschlands. Sie begann mit ihrer Vorstellung und erwähnte dabei auch, dass sie verheiratet wäre. Mein spontaner Gedanke: mit einem Mann oder einer Frau? Ich traute aber nicht, diese Frage genauso spontan zu stellen, wie sie mir durch den Kopf geschossen war2.

Nach meiner Kurzvorstellung fragte sie mich, was ich außerhalb der Arbeit gerne machen würde. Ich erwähnte meine ehrenamtliche Arbeit beim Bisexuellen Netzwerk. Zwar gab es auch hier einen kurzen Moment des Zögerns, aber ich erzählte. Damit war das Eis dann gebrochen: sie erzählte von ihrer Frau, wir sprachen kurz über unser queeres Mitarbeitenden-Netzwerk im Unternehmen und stellten fest, dass wir uns auf dem Weihnachts-Event des Netzwerks demnächst in Köln live sehen würden.

Im Nachgang schrieben wir uns im Chat über mein anfängliches Zögern und ihre Erfahrung, dass sie mit Fragen wie “mit Mann oder Frau verheiratet?” auch schonmal Empörung beim Gegenüber geerntet hatte. Zwar liegt das Problem hier ganz klar beim Gegenüber, aber unser gemeinsames Gespräch zeigte, dass solche Erfahrungen unser eigenes Verhalten verändern – verinnerlichte Queerfeindlichkeit ist ne blöde Sache…

Am Ende waren wir aber beide froh drüber, dass ich etwas Queerness ins Gespräch gebracht hatte. Und ein Ansporn für mich, in solchen Momenten des Zögerns beherzter weiterzugehen und sich zu zeigen, weil sonst was verloren gehen könnte…


  1. Natürlich nur mit vorheriger Zustimmung zur Aufnahme in den Lostopf
  2. Wäre interessant gewesen, mich selbst dabei zu beobachten, wie binär ich sie tatsächlich gestellt hätte

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