Die Elbphilharmonie

Am Wochenende war ich in Hamburg, ein kleiner Familienausflug aus Anlass eines Konzertbesuchs in der Elbphilharmonie. Und weil schon mehr als einmal die Frage kam, wie’s denn war, hier meine Antwort darauf.

Das Konzert war ein Genuss: Musiker:innen, Stücke, Sicht auf das Orchester sowie die Akustik – selbst bei unseren “billigen” Plätzen weit oben hinter der Bühne. Auch Einlass und Garderobe hat für den fast vollen großen Saal (gut 2000 Plätze) wirklich gut funktioniert. 

Aber das Gebäude habe ich in mehrerer Hinsicht als problematisch erlebt. 

Das geht schon beim Eingang los, bei dem eine lange Rolltreppe nach oben ins Foyer führt. Mein erster Gedanke: und was mach ich jetzt, wenn ich eine Rolltreppe nicht nutzen kann? Vielleicht hab ich unten den Aufzug übersehen, aber im eigentlichen Philharmonie-Trakt sind die Aufzüge reichlich versteckt – um nicht zu sagen: in der letzten Ecke. Insgesamt ist die Philharmonie innen drin aufgrund der vielen Treppen und großen Entfernungen nur für diejenigen unter uns wirklich gut geeignet, die gut zu Fuß sind (die Eignung für sehbehinderte Menschen kann ich nicht beurteilen, aber der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg hatte sich 2017 schon sehr kritisch dazu geäußert1).

Und so großzügig das Foyer und der große Saal für einen sehenden Menschen auch wirkt: Die Sitzplätze sind es nicht. 2 Stunden mit Pause ist für jemanden mit meiner Körpergröße grade noch drin – aber bequem ist was anderes. Jedes halbwegs moderne Kino bietet da mehr Beinfreiheit. 

Etwas hektisch wird es, wenn man in der Pause Getränke kaufen und die dann auch noch in Ruhe konsumieren will. Obwohl ich nicht allzu weit hinten in der Schlange stand und das Personal wirklich flott gearbeitet hat, kam der erste Gong schon, als ich just am Bestellen war. Also hieß es: entweder das Getränk schnell in sich reinschütten – oder auf den zweiten Teil der Vorstellung verzichten, da es keinen Nacheinlass gab.

Und als geradezu erschreckend hab ich die Toilettensituation erlebt: ausgesprochen beengt und viel zu klein dimensioniert. Von den in D immer noch üblichen rein binär geschlechtergetrennten Bereichen mal abgesehen: selbst auf der „Herren”toilette 1/2 h vor Vorstellungsbeginn musste ich warten. Und die Schlangen während der Pause vor den „Damen“toiletten spotteten wirklich jeder Beschreibung. Da fragt man sich schon, ob dem Architekten (es kann eigentlich nur ein cis Mann mit guter Blase gewesen sein) denn überhaupt bewusst war, dass in der – relativ kurzen – Pause ein größerer Andrang an diesen Örtlichkeiten zu erwarten ist. In Architektur gegossene Misogynie2, könnte man meinen.

Nicht dass solche Dinge für mich als nicht-behinderten cis Mann jetzt so völlig neu wären – aber für ein öffentliches Gebäude, das grade mal 5 Jahre auf dem Buckel hat, alles zusammengezählt ein ziemliches Trauerspiel, finde ich.

Blick in den noch fast leeren großen Saal der Elbphilharmonie.

  1. https://www.bsvh.org/nachricht/begehung-der-elbphilharmonie-offenbart-maengel-bei-barrierefreiheit.html
  2. Misogyne Versammlungsstättenverordnung und Architekten (*) treffen auf ignorante Betreiber(*): https://www.abendblatt.de/…/Besucher-klagen-ueber…
    (*) rein männlicher Plural, kein generisches Maskulinum

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