Das jüdische Köln – Sichtbares und Verborgenes

“Das jüdische Köln – Sichtbares und Verborgenes” hieß die Führung von Aaron Knappstein von der liberalen jüdischen Gemeinde durch Teile der Kölner Alstadt.

Es begann am EL-DE-Haus, der ehemaligen Kölner Gestapo-Dienststelle mit Gefängniszellen und Foltertrakt im Keller – jetzt NS-Dokumenationszentrum der Stadt Köln. Die Gestapo trieb hier hier Unwesen, viele Menschen wurden im Innenhof hingerichtet. Damit die Nachbarn es nicht sahen, hängte die Gestapo große Tücher als Sichtschutz auf; die Schüsse waren trotzdem zu hören. Die Deportation der Kölner Jüdinnen und Juden wurde von hier aus organisiert.

Das EL-DE-Haus hat als eines der wenigen Häuser in Köln den Krieg unbeschadet überstanden – ein Treppenwitz der Geschichte. Auch die Inschriften der damaligen Gefangenen bleiben erhalten – aber nicht, weil man sie nach 1945 für erhaltenswert hielt, sondern weil die Kölner Stadtverwaltung dort einzog und die Zellen als Aktenlager dienten. Die Beamten waren auch vor 1945 schon Beamte, aber hinter den Regalen interessierte sich über Jahrzehnte niemand mehr für die Botschaften der Inhaftierten.

Gleich gegenüber das Justizgebäude am Appellhofplatz. Hier wurden in den 1930er und 1940er Jahren “Rassenschande”-Prozesse geführt. Von Richtern, die auch nach 1945 weiterhin im Amt waren. Hier wurde 1979 aber auch gegen Kurt Lischka verhandelt, der in Frankreich für die Ermordungen von tausenden Menschen verantwortlich war. Serge und Beate Klarsfeld war es wohl zu verdanken, dass Lischka, der zuvor unbehelligt in Köln leben konnte, dann doch noch der Prozess gemacht wurde.

In der Elisenstraße gleich nebenan, in der vor der NS-Zeit viele Ärzte und Anwälte wohnten und arbeiteten, stehen mehr oder weniger häßliche Nachkriegsbauten. Nur Fotografien und Erzählungen, die Herr Knappstein bei sich hatte, erinnern noch an die jüdischen Einwohner*innen und an deren Emigration oder Deportation.

An der Sankt-Apern-Straße erinnert ein Brunnen und ein kleines, von Ehrenamtler*innen betriebenes Museum an die ehemalige orthotoxe Gemeinde mit ihrem Lehrgebäude, der Jawne (Schule) und an die hunderte von Kindern, die aus Köln nach Minsk deportiert – und dort zusammen mit vielen Erwachsenen ermordert wurden. Aber auch an Erich Klibanksy, der die Gefahr frühzeitig erkannte und zumindest einen Teil der Kinder in England in Sicherheit bringen konnte – wenn auch ohne ihre Eltern.

In der Richmodstraße weist eine im Gehweg eingelassene Plakette – der jetztige Hausbesitzer wollte sie nicht am Haus befestigt haben – an das zionistische Erbe der Stadt hin. Die Idee der blau-weißen Fahne mit dem Davidsstern, die jetzt die Flagge des Staates Israel ist, geht auf David Wolffsohn zurück, der in Köln lebte und sich für die zionistische Idee einsetzte – etwas, was damals nur wenige Juden in Deutschland teilten, wie Herr Knappstein in der Führung meinte. Nach dem Tod von Theodor Herzl soll hier in der Richmodstraße ein geistiges Zentrum des Zionismus entstanden sein. Viele der Ideen, die Anfang des 20. Jahrhunderts hier ausgearbeitet und niedergeschrieben wurden, sollen Eingang in Israels Verfassung gefunden haben.

Herr Knappstein berichtet auch von einem Bergheimer Gastwirt, der über mehr als drei Jahre hinweg drei jüdische Frauen in seinem Haus versteckte; in einem kleinen Zimmer oberhalb der Gaststube, in der die SA feuchtfröhliche Veranstaltungen abhielt. Von seinem Informanten in der Kölner Stadtverwaltung, der ihn vor Razzien warnte, die die Frauen unter Kartoffelbergen versteckt überstanden. Von der Verhaftung des Gastwirts durch die Gestapo, weil er als Einziger auf der Beerdigung einer jüdischen Frau war. Und davon, dass die Befreiung des Linksrheinischen 1945 dafür sorgten, dass er und die drei Frauen überlebten.

Den Abschluss bildete der Offenbachplatz. Dort, auf der Fläche vor der jetzigen Kölner Oper, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts die Synagoge in der Glockengasse gebaut, finanziert von Abraham Freiherr von Oppenheim aus der gleichnamigen Kölner Bankiersfamilie. Die Synagoge wurde am 9. November 1939 zerstört und dem Erdboden gleich gemacht. Der Vater des Komponisten Jacques Offenbach war an dieser Synagoge Kantor – der jetzige Platz ist nach dem Sohn benannt. Gelebt haben sie am Griechmarkt in der südlichen Kölner Alstadt – damals wohl stark jüdische geprägt.

An jedem dieser Orte bin ich in all den Jahren in Köln schon mehrfach vorbeigekommen. Aber alles war neu für mich, denn das wenigste davon ist jetzt noch sichtbar.

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