“هل تعرفون جمال لبنان ذلك البلد العريق؟”
“Kennt Ihr die Schönheit des Libanon, dieses altehrwürdigen Landes?”
So beginnt ein sehr poetischer Text über den Libanon, der mir aus dem Arabisch-Unterricht vertraut ist und dessen erste Hälfte ich noch immer auswendig kann. An diese Zeilen musste ich denken als ich in heute in der Wochenend-taz den Artikel “Es kann funktioneren” über den Libanon las.
Beim Lesen über den Bürgerkrieg, seine Folgen und den fortdauernden Sektarismus dieses Landes kamen die Erinnerungen an meine Jugend wieder hoch. Mein Vater war Ende der 1970er beruflich erst in Israel und dann im Libanon. Aus beidem haben sich Kontakte über das rein Berufliche hinaus ergeben und ich erinnere mich noch, wie über die folgenden Jahre immer wieder einmal Besuch aus Israel und aus dem Libanon bei uns zu Gast war.
Bei Shmuel aus Israel war ich mit 12 oder 13 Jahren fasziniert wie man einen Text in Englisch und Hebräisch gleichzeitig schreiben konnte: eine Zeile von links nach rechts auf Englisch, die nächste von rechts nach links auf Hebräisch – ohne dabei inne zu halten. Und Shmuel sorgte dafür, dass wir über viele Jahre hinweg rechtzeitig zu Weihnachten eine große Kiste bester Orangen in unserem Keller hatten.
Herr Atie aus Beirut hatte neben anderen nahöstlichen Leckereien immer Pistazien für uns im Gepäck. Noch heute sind sie für mich der Maßstab für gute Pistazien, der weiterhin schwer zu erreichen ist.
Dieser maronitische Kaufmann war während der Hochphasen des libanesischen Bürgerkriegs immer wieder über teils längere Zeiträume mit der gesamten Familie nach Deutschland. Zeitweise dachten wir sogar, er würde dauerhaft in Nürnberg bleiben. Aber trotz aller Widrigkeiten und obwohl sein Wohnhaus in Beirut zerstört wurde, ging er wieder zurück. Das Haus musste wieder aufgebaut werden. Die Heimat rief. Die Geschäfte wollten weitergeführt werden. Und das nicht nur einmal, sondern zweimal, dreimal. Nach der letzten Rückkehr der gesamten Familie nach Beirut ging der Kontakt zu meinen Eltern weitgehend verloren. Nur selten hörte ich meinen Vater noch Neuigkeiten von Herrn Atie berichten.
Vielleicht sind diese Jugenderinnerungen auch ein Auslöser für mein Interesse an dieser Ecke der Welt, das dann Jahrzehnte später durch solche Zeilen befeuert wurde:
“سافروا معي اليه و لو بخيالكم، لتشاهدوا جباله الخظراء الشامخة التي تعانق الغيوم البيضاء”
“Reist mit mir dorthin, wenn auch nur in Eurer Phantasie, um die hohen grünen Berge zu schauen, die von weißen Wolken umarmt werden”.
“والمدن القديمة والحديثة مثل بيروت وصيداء وترابلس وجبيل”
“Und alte und moderne Städte wie Beirut, Sidon, Tripoli und Byblos.”
Aber auch dieser Lehrbuchtext war sich der Tatsache bewusst, dass der Libanon nicht nur aus schöner Landschaft und Städten mit Jahrtausende alter Geschichte besteht:
“وسوف نسمع منهم ما حملت عليهم الحرب من الشدة والمتاعب في السنوات الاخيرة”
“Und wir werden von ihnen [den Einwohnern] hören, was der Krieg ihnen in den vergangenen Jahren an Not und Strapazen aufgebürdet hat.”
Beitragsbild (Libanon-Fahne) aus Wikipedia – gemeinfrei